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Geschlechtergerechtigkeit und Rechte von Arbeiter*innen im Textilsektor

Aktuelles
09.01.2024

Geschlechtergerechtigkeit und Rechte von Arbeiter*innen im Textilsektor

Fachdelegation zu Besuch in Indien

Es war zugleich ein bewegender und bestätigender Moment für die deutsche Fach-Delegation in Indien, als Thivya Rakini, die Vorsitzende der Tamil Nadu Textile and Common Labour Union (TTCU), über die Beweggründe ihrer Arbeit berichtete: über die gravierenden Missstände in der indischen Textilbranche, die von Unterbezahlung, sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz bis hin zu Todesfällen durch Gewalt von Vorgesetzten reicht. Die Antwort der TTCU darauf ist das erste rechtsverbindliche Abkommen gegen geschlechtsspezifische Gewalt, welches die von Dalit-Frauen geführte Gewerkschaft, gemeinsam mit der Asia Floor Wage Alliance und Global Labor Justice – International Labor Rights Forum, mit Modemarken und einer Fabrik in Südindien verhandelt hat: das Dindigul Agreement zur Beendigung von geschlechtsspezifischer Gewalt und Belästigung. Seit April 2022 in Kraft zeige es bereits erste Erfolge, so Rakini. Der erste Fortschrittsbericht ist hier abrufbar.

Um sich diese genauer anzuschauen, machte sich im Dezember eine Fach-Delegation aus Deutschland von Delhi aus auf den Weg in die südindische Stadt Dindigul, um mit Stakeholdern des Dindigul Agreements in den persönlichen Austausch zu treten und Perspektiven der Ausweitung des Abkommens zu erörtern. An der Reise nahmen unter anderem Vertreter*innen von Mitgliedern des Textilbündnisses und vom Bündnissekretariat teil. Daneben reisten Vertreter*innen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), eine WZ-Referentin sowie eine BMAS-Vertreterin der deutschen Botschaft in Delhi mit. Organisiert wurde die Reise vom Sektorvorhaben „Soziale und ökologische Transformation von Textillieferketten“ (SV SETTS), welches das Sekretariat des Textilbündnisses stellt und im Auftrag des BMZ von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH durchgeführt wird.

Bündnisinitiative setzt sich für weitere Abkommen ein

Das Dindigul-Abkommen zielt darauf ab, jegliche Form von Gewalt gegen Frauen am Arbeitsplatz zu eliminieren und wird auch vom Bündnis für nachhaltige Textilien unterstützt. Die im Oktober 2023 gestartete Bündnisinitiative „Advancing Worker-Led Agreements on Gender Justice“ baut auf dem Modell des Dindigul Agreements auf. Sie setzt sich dafür ein, dass weitere Modemarken und ihre Zulieferbetriebe solche Abkommen schließen, um zu einer positiven Veränderung der Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf geschlechtsspezifische Gewalt im Textilsektor in Indien beizutragen. Die an der Delegationsreise teilnehmenden Verantwortlichen für die Bündnisinitiative konnten die Gelegenheit nutzen, um von den Erfahrungen der Stakeholder rund um das Dindigul-Agreement zu lernen, bereits erzielte Erfolge wie die Einrichtung eines Shop Floor Monitor Systems oder eines ausschließlich durch Frauen besetzten Internal Complaint Committees zu sehen und die Zusammenarbeit mit den Akteuren auf indischer Seite zu vertiefen.

Die Perspektive der Stakeholder im Fokus

Vor den Terminen im Süden des Landes hatte die Fach-Delegation bereits in Delhi weitere Akteure des Textilsektors getroffen. Ein wichtiges Ziel der Reise war es, die Perspektive der Stakeholder vor Ort genauer kennen zu lernen, um künftige Kooperationen – wie die gemeinsame Bündnisinitiative –  zielgerichteter anzubahnen und auszugestalten. So traf die Delegation zum Beispiel Vertreter*innen des indischen Textilministeriums, der ILO, der deutsch-indischen Handelskammer und UNDPs sowie der niederländischen Botschaft. Neben Geschlechtergerechtigkeit und Rechten von Arbeiter*innen im Textilsektor wurden dabei auch Perspektiven für eine Kreislaufwirtschaft und die EU-Textilstrategie thematisiert.

Bei einem Stakeholder Dialogue in Coimbatore konnte insbesondere die Perspektive lokaler und internationaler NGOs sowie lokaler Gewerkschaften genauer erörtert werden.  Gewerkschaftsvertreter*innen von TTCU diskutierten dort gemeinsam mit NGOs wie Asia Floor Wage Alliance, Cividep, Fair Wear Foundation, Ethical Trading Initiative sowie mit der Tiruppur Exporters’ Association (TEA), deren Vertreter*innen u.a. große Zulieferfabriken wie Eastman Exports betreiben, über strukturelle Hindernisse für mehr Rechte von Arbeitnehmer*innen, bessere Löhne und einen gewaltfreien Arbeitsplatz. Ergänzt wurde der Austausch durch die Sicht der einkaufenden Modemarken C&A und Primark, die in naheliegenden Fabriken Kleidung beziehen.

Das Team der Bündnisinitiative wird die gesammelten Einblicke nun nutzen, um von Erfahrungen des Dindigul Agreements zu lernen und dessen kollaborativen Ansatz zwischen allen Stakeholdern weiter zu verfolgen. Die Erfolge des Dindigul Agreements bereits nach einem Jahr und insbesondere die Arbeit von TTCU haben bei allen Teilnehmenden tiefen Eindruck hinterlassen.

Noor Naqschbandi, Programmleiter des SV SETTS, war ebenfalls Teil der Fach-Delegation und bewertet die Treffen mit Akteuren aus dem Textilsektor, Partnern aus der Entwicklungszusammenarbeit und Arbeitnehmervertreter*innen und die detaillierten Einblicke in den indischen Textilsektor positiv:

Wir sehen im Ergebnis des Dindigul-Agreement den Multi-Stakeholder-Ansatz bestätigt, den auch das Bündnis für nachhaltige Textilien verfolgt. Der Dialog mit Unternehmen und Zivilgesellschaft ist und bleibt zentral, um langfristig bessere Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie zu erzielen.“

 

 

Sollte Ihr Unternehmen Interesse an der Mitarbeit in der Bündnisinitiative „Advancing Worker-Led Agreements on Gender Justice“ haben, melden Sie sich gerne unter mail@textilbuendnis.com. Die Mitgliedschaft im Textilbündnis ist Voraussetzung für die Teilnahme an Bündnisinitiativen.