Sektorrisiken

Kinder- und Zwangsarbeit

Über das Sektorrisiko

Kinderarbeit ist in den meisten Ländern der Welt gesetzlich verboten. Dennoch arbeiten Statistiken der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zufolge rund 160 Millionen Kinder, davon sind mehr als die Hälfte zwischen fünf und elf Jahren alt.

Als Kinderarbeit gilt jede Art von Arbeit, die von Personen unter 15 Jahren verrichtet wird und die der körperlichen und geistigen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen schadet oder sie am Schulbesuch hindert.  Die Agenda 2030 sieht vor, bis zum Jahr 2025 alle Formen der Kinderarbeit zu beseitigen (Ziel 8.7).

Zwangsarbeit bezieht sich im Gegensatz zu Kinderarbeit nicht auf bestimmte Altersgruppen. Die ILO definiert Zwangsarbeit als „jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung einer Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat.“ Menschen können auf verschiedene Weise in Situation von Zwang geraten. Die ILO hat elf Kernindikatoren definiert, die auf ausbeuterische Arbeit hinweisen. Dazu gehören beispielsweise die Einbehaltung von Ausweisdokumenten, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die Zurückhaltung von Löhnen und exzessive Überstunden. Dem Global Slavery Index folgend gehört Kleidung zu den zwei Produktgruppen mit dem höchsten Risiko von Zwangsarbeit in der Lieferkette.

Situationen unfreiwilliger und ausbeuterischer Arbeit können überall und entlang der gesamten Textil-Lieferkette auftreten. Generell bestehen Risiken insbesondere in den Beschaffungsregionen und Lieferkettenstufen, in denen soziale, wirtschaftliche und  gesellschaftliche Rahmenbedingungen wie Armut, Diskriminierung, Entwurzelung und mangelnde Vereinigungsfreiheit Menschen verwundbar für Ausbeutung machen. Daneben erhöhen prekäre Beschäftigungsverhältnisse das Risiko von Kinder- und Zwangsarbeit. In der Textilindustrie ist informelle Beschäftigung weit verbreitet, beispielsweise in der Saisonarbeit für die Baumwollernte oder in der Heimfertigung von aufwendigen Handarbeiten wie Zier- und Perlenstickerei. Wenn Verträge an Unterauftragnehmer weitergegeben werden, haben Marken- und Handelsunternehmen weniger Kontrolle über und Einfluss auf die Einhaltung von menschenrechtlichen Standards. Vulnerable Personengruppen sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Dazu gehören beispielsweise Wanderarbeiter*innen, Kinder und Jugendliche und ethnische Minderheiten.

Da Zwangs- und Kinderarbeit meist verdeckt auftreten, müssen Unternehmen häufig einzelne oder mehrere Indikatoren in Kombination nutzen, um Risiken oder konkrete Fälle identifizieren zu können. Neben sozialen Auditierungen empfiehlt die OECD-Handreichung die enge Zusammenarbeit mit Stakeholdern, um menschenrechtliche Verstöße festzustellen, zu verhindern, zu mildern und den effektiven Zugang zu Abhilfe und Wiedergutmachung sicherzustellen. Mithilfe von verantwortungsvollen Einkaufspraktiken wie beispielsweise fairen Preisverhandlungen und angemessenen Lieferzeiten können Unternehmen ihre Lieferantenbeziehung stärken und zum Schutz und besseren Arbeitsbedingungen für Arbeiter*innen in den Produktions- und Anbaubetrieben beitragen.

Soziale Bündnisziele und -standards

Mit dem Beitritt ins Textilbündnis erkennen alle Mitglieder die sozialen Bündnisziele und -standards an. Sie umfassen auch die Themen Kinder- und Zwangsarbeit. Diese Ziele orientieren sich an internationalen Sozialstandards, insbesondere an den ILO-Übereinkommen, den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen.

Wie setzt sich das Textilbündnis gegen Kinder- und Zwangsarbeit ein?

Bündnismitglieder bekennen sich zu Null Toleranz gegenüber Kinder- und Zwangsarbeit. Sie verpflichten sich dazu, ein Verfahren für die Identifikation, Verhinderung und den Umgang mit Fällen von Kinder- und Zwangsarbeit zu etablieren, einschließlich der Förderung des Zugangs zu effektiven Beschwerde- und Abhilfemechanismen. Im Review-Prozess machen Bündnisunternehmen eine Risikoanalyse, leiten daraus Ziele ab und definieren Maßnahmen.

Verantwortungsvolle Einkaufspraktiken von Unternehmen sind entscheidend, um Kinder- und Zwangsarbeit vorzubeugen. Mit der Bündnisinitiative Existenzsichernde Löhne arbeiten Unternehmen an Lohnsteigerungen in der Lieferkette, um wirtschaftliche Anreize für Ausbeutung zu reduzieren. Im Zusammenhang mit dem Jahresthema 2021 Verantwortungsvolle Einkaufspraktiken bietet das Textilbündnis verschiedene Aktivitäten an, um Unternehmen bei der Verbesserung ihrer Einkaufspraktiken zu unterstützen. Dazu gehören das Angebot von Trainings, Selbst -und Lieferantenbewertungen der eigenen Geschäftspraktiken und die Erarbeitung eines gemeinsamen Referenzrahmens zu Einkaufspraktiken mit anderen Multi-Stakeholder-Initiativen.

Darüber hinaus können sich Bündnismitglieder mithilfe einer Incident-Liste über Vorfälle mit Bezug zu diesem und anderen Sektorrisiken in der Textillieferkette informieren, um Risiken in der eigenen Lieferkette zu identifizieren. Lieferkettentransparenz ist dabei elementarer Baustein für eine umfassende und belastbare Risikoanalyse – mehr dazu im Leitfaden Lieferkettentransparenz. Zudem können Unternehmen in einer aggregierten Lieferantenliste freiwillig Informationen zu ihren Lieferanten teilen.

Wenn Fälle von Kinder- oder Zwangsarbeit auftreten, ist der Zugang zu Abhilfe und Wiedergutmachung für Arbeiter*innen existenziell. Entsprechende Mechanismen und Systeme stellen das Wohl des Kindes bzw. der von Zwangsarbeit betroffenen Person in den Mittelpunkt. Deshalb hat sich die 2020 gegründete Bündnisinitiative Beschwerdemechanismen das Ziel gesetzt, Bündnismitglieder bei der Implementierung effektiver Beschwerdemechanismen zu unterstützen.

Die Kooperation mit anderen Brancheninitiativen und Organisationen ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit des Textilbündnisses, um Kräfte zu bündeln und gemeinsam Verbesserungen voranzutreiben.

Zwangsarbeit in der chinesischen Provinz Xinjiang

Berichte, Regierungsquellen und Zeugenaussagen weisen auf weitverbreitete staatlich verordnete Menschenrechtsverletzungen gegen Uiguren und Angehörige anderer muslimischer Minderheiten in der autonomen Region Xinjiang und anderen chinesischen Regionen hin. Es besteht ein hohes Risiko von Zwangsarbeit in Fabriken und Anbaubetrieben der Textil-Lieferkette. Dies betrifft insbesondere die tiefere Lieferkette, das heißt die Produktion von Baumwolle und Garnen, aber auch die Produktion von Zwischen- und Endprodukten aus China. Die Textilindustrie machte 2019 mit 25,4 Prozent den größten Anteil an Exporten aus Xinjiang aus. Über 80 Prozent der chinesischen Baumwolle, die zu Garn oder Textilien verarbeitet wird, stammt aus der Region.

Das Textilbündnis ist mit seinen Mitgliedern, der Politik, der OECD und anderen Branchenorganisationen zu dem Thema im Austausch. Bündnismitglieder schlossen sich 2020 in einer Ad-hoc-Gruppe zusammen und diskutieren Strategien im Umgang mit der Situation sowie mögliche Unterstützungsangebote durch das Textilbündnis.

Weiterführende Informationen

Kinderarbeit:

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ): Gemeinsam gegen Kinderarbeit. Kinder- und Jugendrechte durchsetzen.

ILO: Child labour.

ILO: Child labour. Global estimates 2020, trends and the road forward (2021).

ILO / IOE: Child labour guidance tool for business (2015).

OECD: OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten in der Bekleidungs- und Schuhwarenindustrie (2020). Modul 1 zu Kinderarbeit

SOMO: Fact Sheet. Child labour in the textile & garment industry (2014).

Terre des Hommes: Kinderarbeit: Ausbeutung stoppen, Kinder stärken.

The Guardian: Child labour in the fashion supply chain.

UNICEF: Kinderrechte und unternehmerisches Handeln (2019).

UNICEF: Children’s Rights in the Garment and Footwear Supply Chain (2020).

Zwangsarbeit:

Global Compact Netzwerk Deutschland: Moderne Sklaverei und Arbeitsausbeutung. Herausforderungen und Lösungsansätze für deutsche Unternehmen (2018).

ILO / Walk Free Foundation: Global Estimates of Modern Slavery (2017).

Institute for Human Rights and Business: The Leadership Group for Responsible Recruitment.

Modern Slavery Map: Interactive Map for Business of Anti-Human Trafficking Organisations.

OECD: Leitlinien für die Sorgfaltspflichten für EU-Unternehmen zur Bekämpfung des Risikos von Zwangsarbeit im Rahmen ihrer Tätigkeiten und Lieferketten (2021).

OECD: OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten in der Bekleidungs- und Schuhwarenindustrie (2020). Modul 3 zu Zwangsarbeit

Stronger Together: Resources.

Verité: Resources.

Walk Free Foundation: Global Slavery Index.