Sektorrisiken

Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen

Über das Sektorrisiko

Die Rechte auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen gehören zu den zentralen Grundrechten und internationalen Arbeitsstandards, den sogenannten ILO-Kernarbeitsnormen. Sie sind verankert in den Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts und Nr. 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen.

Das Recht auf Vereinigungsfreiheit sieht vor, dass Arbeitnehmer*innen die Möglichkeit haben, sich zu organisieren und ihre Tätigkeiten frei sowie ohne Einschränkung oder Einmischung auszuüben. Arbeitnehmer*innen haben das Recht, Gewerkschaften beizutreten und aktiv in ihnen mitzuarbeiten. Gleichzeitig besteht ein Schutz vor jeglichen Maßnahmen, die gegen diese Betätigung gerichtet sind.

Kollektivverhandlungen sind Verhandlungen zwischen dem Arbeitgeber (oder einem Arbeitgeberverband) und einer oder mehrerer Gewerkschaften. Ziel von Kollektivverhandlungen ist ein Tarifvertrag über Löhne und Arbeitsbedingungen. Da es sich um rechtsverbindliche Verträge handelt, haben diese deutlich mehr Gewicht als andere Absprachen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmer*innen.

Die Rechte auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen sind ein wesentlicher Hebel, um gute Arbeitsbedingungen zu erreichen und aufrechtzuerhalten. Denn Gewerkschaften setzen sich aktiv für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne ein. Für Arbeitnehmer*innen sind sie ein wichtiges Mittel, um ihre Rechte durchzusetzen.

Beide Rechte sind Grundrechte und gleichzeitig auch „enabling rights“: Werden Sie geachtet, trägt dies wesentlich zur Erfüllung anderer Arbeitsrechte bei. In den meisten Produktionsländern der Textilindustrie werden diese Rechte jedoch eingeschränkt und verletzt, sodass Arbeiter*innen nicht in der Lage sind, über Löhne, Sicherheit am Arbeitsplatz, Arbeitszeiten oder andere relevante Themen zu verhandeln. Arbeiter*innen, die einer Gewerkschaft beitreten, werden nicht selten seitens ihres Arbeitgebers eingeschüchtert, versetzt oder gar entlassen. Auch staatliche Akteure behindern in vielen Ländern die Arbeit von Gewerkschaften, indem sie die Registrierung von Gewerkschaften verzögern oder gezielt gegen einzelne Interessensvertreter*innen vorgehen. China, Indien, Thailand oder Vietnam haben zudem eines oder beide der ILO-Übereinkommen nicht ratifiziert.

2017 protestierten beispielsweise in Bangladesch Textilarbeiter*innen für höhere Mindestlöhne. In der Folge wurden mindestens 1.500 Beschäftigte entlassen und die Regierung ging hart gegen Gewerkschaften vor, schloss ihre Büros und inhaftierte Funktionär*innen.

Soziale Bündnisziele und -standards

Mit dem Beitritt ins Textilbündnis erkennen alle Mitglieder die sozialen Bündnisziele und -standards an. Sie umfassen auch die Themen Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen. Diese Ziele orientieren sich an internationalen Sozialstandards, insbesondere an den ILO-Übereinkommen, den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen.

Wie bearbeitet das Textilbündnis das Sektorrisiko?

Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen zählen zu den elf Sektorrisiken, die von den Bündnisunternehmen im Review-Prozess in den Blick genommen werden. Im Gegensatz zu anderen Risiken sind Einschränkungen des Rechts auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen nicht an bestimmte Produktionsstufen oder Produktgruppen gebunden. Entscheidend sind vielmehr die länderspezifischen Rahmenbedingungen sowie deren Umsetzung in den einzelnen Produktionsbetrieben. Die Risikoanalyse setzt demnach bei den Ländern an. Basierend darauf definieren Unternehmen Ziele und Maßnahmen, um ihre schwerwiegendsten Risiken anzugehen. Das können zum Beispiel Schulungen sein oder weitere Maßnahmen, um die Arbeit von Gewerkschaften in den Produktionsländern zu unterstützen.

Das Bündnis für nachhaltige Textilien kooperiert unter anderem mit der Initiative Action, Collaboration, Transformation (ACT). ACT setzt sich gemeinsam mit der globalen Dachgewerkschaft IndustriALL für Tarifverhandlungen in Produktionsländern ein. Gerade in Ländern, in denen das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen gesetzlich eingeschränkt ist, bemühen sich die Organisationen darum, die Rechte der Arbeitnehmenden zu durchzusetzen und zu schützen.