Löhne und Sozialleistungen

Sektorrisiken

Löhne und Sozialleistungen

Über das Sektorrisiko

Weltweit leben laut Weltbank über 700 Millionen Menschen in extremer Armut (Stand: 30.November 2022). Auch Arbeit schützt nicht immer vor Armut: Gerade in der Textilproduktion sind geringe Löhne und exzessive Überstunden ein häufiges Problem und die Beschäftigten können von ihrem Lohn oft nicht leben. Als existenzsichernd gilt ein Lohn, wenn er die Lebenshaltungskosten von Arbeiter*innen und ihren abhängigen Familienangehörigen abdeckt und angemessene Rücklagen für Notsituationen ermöglicht. Dieser Lohn muss laut ILO in einer Standardarbeitswoche von nicht mehr als 48 Stunden erreicht werden.

Zwar existieren in vielen Ländern gesetzliche Mindestlöhne, diese sind jedoch meist zu niedrig, um die genannten Kriterien zu erfüllen. Niedrige Löhne, Überstunden und das Risiko von Kinderarbeit hängen zusammen und bilden ein strukturelles Problem im Textilsektor. Daher erfordern Verbesserungen hin zu existenzsichernden Löhnen gemeinsames Handeln verschiedener Akteure und Lösungsansätze, die auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen. Zu den möglichen Lösungen zählen das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen, die Schulung von Lieferanten in den Produktionsländern zur Isolierung von Lohnkosten in der Kostenkalkulation und verantwortungsvolle Einkaufspraktiken der einkaufenden Unternehmen.

Sozialleistungen dienen dazu, Arbeiter*innen in bestimmten Situationen finanziell abzusichern. Dazu zählen beispielsweise Krankheit, Arbeitsunfälle oder Schwangerschaft. Zwar existieren in einigen Produktionsländern entsprechende gesetzliche Regelungen, diese werden jedoch oft umgangen, etwa um Kosten zu sparen.

Die COVID-19-Pandemie  hat noch einmal gezeigt, dass die Lebenssituation von Arbeiter*innen in der Textilindustrie vielerorts prekär ist und es an sozialer Sicherung fehlt. Aus diesem Grund hat das Textilbündnis zusammen mit anderen Organisationen in einem gemeinsamen Statement die Regierungen von Produktionsländern dazu aufgerufen, langfristig die sozialen Sicherungssysteme in ihren Ländern zu stärken.

Soziale Bündnisziele und -standards

Das Textilbündnis hat soziale Bündnisziele formuliert, die alle Mitglieder durch den Beitritt ins Bündnis anerkennen. Diese Ziele orientieren sich an internationalen Sozialstandards, insbesondere an den ILO-Übereinkommen, den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen. Die sozialen Bündnsziele enthalten auch Anforderungen in Bezug auf Löhne, Einkommen und Sozialleistungen.

Berücksichtigung in allen Arbeitsfeldern des Textilbündnisses
Individuelle Verantwortung

Löhne und Sozialleistungen zählen zu den elf Sektorrisiken, die von den Bündnisunternehmen im Review-Prozess in den Blick genommen werden. Basierend auf den Ergebnissen ihrer Risikoanalyse definieren sie Ziele und Maßnahmen, wie sie die Lohnsituation verbessern können.

Gemeinsames Engagement

Weil einzelne Akteure in dieser Frage nur wenig bewirken können, hat das Textilbündnis eine Bündnisinitiative zu existenzsichernden Löhnen gestartet. Die Mitglieder arbeiten hier zusammen, um wirkungsvolle Lösungen in der Lohnfrage zu entwickeln.

Gegenseitige Unterstützung

Eine Peer Learning Group arbeitete zu Einkaufspraktiken. Darüber hinaus gibt es verschiedenes Unterstützungsmaterial zum Thema, zum Beispiel die Handreichung zu existenzsichernden Löhnen (DE und EN). Sie gibt eine Einführung in das Thema, zeigt praktische Ansatzpunkte und Hilfestellungen und unterstützt bei der Entwicklung einer eigenen Strategie zur Umsetzung von existenzsichernden Löhnen in der Lieferkette.

Strategische Kooperation

Seit 2017 kooperiert das Textilbündnis mit ACT (Action, Collaboration, Transformation). Die Initiative setzt sich für existenzsichernde Löhne ein und fördert Kollektivverhandlungen und Tarifverträge. Zudem kooperiert das Bündnis seit 2017 auch mit der Fair Wear Foundation im Bereich Löhne.

Bündnisinitiative Existenzsichernde Löhne

Zwölf Bündnisunternehmen schlossen sich 2019 in einer Peer-Learning-Gruppe (PLG) zusammen, um ihre Einkaufspraktiken mithilfe des Purchasing Practices Self-Assessment Tool (PPSA) zu analysieren. Die Unternehmen der PLG erarbeiten nun Maßnahmenpläne zur Verbesserung ihrer Einkaufspraktiken.

Im zweiten Modul der Bündnisinitiative werden gemeinsame Lieferanten-Trainings mit der Fair Wear Foundation und dem niederländischen Agreement on Sustainable Garments and Textile (AGT) angeboten. Ziel der Trainings ist es, Zulieferer in Bezug auf grundlegende Sozialstandards zu schulen. Zudem lernen sie Tools und Methoden kennen, die sie darin unterstützen sollen, die Löhne für Arbeiter*innen anzuheben.

Das Ländermodul Kambodscha unterstützt die Initiative ACT bei ihren Bemühungen um Tarifverträge in Kambodscha. Angesichts der Entscheidung der EU-Kommission, die Zollpräferenzen für Kambodscha auszusetzen, und der Auswirkungen von COVID-19 ist noch unklar, wie die von ACT initiierten Verhandlungen vor Ort weitergeführt werden.

Mit verantwortungsvollen Einkaufspraktiken zu höheren Löhnen

Einkaufspraktiken sind alle Prinzipien und Prozesse, mit denen Markenunternehmen und Einzelhändler mit den Herstellern und Lieferanten ihrer Produkte interagieren und Geschäfte machen. Verantwortungsvolle Einkaufspraktiken ermöglichen es allen Partnern im Liefernetzwerk, ihre Produktion und Arbeitszeiten effektiv zu planen und Arbeitnehmer*innen fair zu bezahlen. Gleichzeitig können sie in die allgemeine Verbesserung der Arbeitsbedingungen investieren und stärken somit die Resilienz in der Wertschöpfungskette. Mit dem Jahresthema legt das Textilbündnis 2021 einen besonderen Fokus auf verantwortungsvolle Einkaufspraktiken. 

Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Lieferanten und weiteren Geschäftspartnern in den Produktionsländern entscheidend ist, um die Rechte von Arbeitnehmer*innen zu schützen. Um kurzfristig negative Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu mildern, veröffentlichte das Textilbündnis im April 2020 Leitsätze, die Empfehlungen für den Umgang mit Aufträgen sowie Gesundheitsrisiken und der Ansteckungsgefahr in Produktionsstätten enthalten. Einige Mitglieder nutzten das Dokument, um sich mit einer Selbstverpflichtung öffentlich zu verantwortlichem Handeln zu bekennen.

Zusammen mit anderen Multi-Stakeholder-Initiativen arbeitet das Textilbündnis an einem gemeinsamen Referenzrahmen zu Einkaufspraktiken. Mit dabei sind unter anderem Ethical Trading Initiative, ACT und Fair Wear Foundation.

Mit einem Basistraining erfahren Unternehmen im Textilbündnis, wie sich ihre Einkaufspraktiken auf die Arbeitsbedingungen in der Lieferkette auswirken und wie sie diese verbessern können. Das 30-minütige Basistraining im Videoformat richtet sich an alle Mitarbeiter*innen aus Abteilungen, die in Einkaufspraktiken involviert sind, darunter CSR, Einkauf, Design, Personal, Qualitätssicherung und Buchhaltung. Das Video ist in deutscher und englischer Sprache verfügbar und wurde vom Bündnissekretariat mit Unterstützung des Bündnismitglieds ALDI Süd erstellt.

Living Wage Lab

Mit dem Living Wage Lab ist die Bündnisinitiative (BI) Existenzsichernde Löhne in eine neue Phase gestartet. Das Ziel des Living Wage Labs es ist, Bündnismitglieder bei der Entwicklung und Umsetzung individueller Strategien zu existenzsichernden Löhnen zu unterstützen und gemeinsam mit Lieferanten skalierbare Lösungen zu entwickeln.

Weiterführende Informationen

ACT: Action, Collaboration, Transformation (ACT)

ASN Bank: Living Wage in the garment  sector: Results of the 2019 reviews (2019).

Bündnis für nachhaltige Textilien: Responding responsibly to the COVID-19 crisis (2020).

Clean Clothes Campaign: Living Wage.

Fair Wear Foundation: Pushing for Living Wages.

German Institute for Human Rights: Bringing Human Rights into Fashion (2018). Kapitel 3.5: Social protection and work safety are inadequate.

GLWC: Global Living Wage Coalition

WageIndicator Foundation: Wage Indicator.