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Unterstützung syrischer Arbeiter*innen in der türkischen Textilindustrie

Aktuelles
05.07.2022

Unterstützung syrischer Arbeiter*innen in der türkischen Textilindustrie

Die Bündnismitglieder Orsay, Primark und C&A setzen sich mit Unterstützung des Textilbündnisses für die Fortführung des Worker Support Center ein. Über diese Anlaufstelle und den Beschwerdemechanismus der türkischen Nichtregierungsorganisation (NRO) MUDEM-Refugee Support Center (MUDEM-RSC) können syrische Textilarbeiter*innen in der Türkei auf Missstände am Arbeitsplatz aufmerksam machen.

Orsay*, Primark und C&A arbeiten schon länger mit MUDEM zusammen und nutzen den Beschwerdemechanismus der NRO bei ihren Zulieferern in der Türkei. Im September 2021 lief die bisherige Förderung durch die Laudes Foundation aus. Mit dem Anliegen, das Worker Support Center fortzuführen, wendeten sich die drei Unternehmen an das Sekretariat des Textilbündnisses. Mit Erfolg: Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt das Textilbündnis MUDEM mit rund 150 000€ für insgesamt 1,5 Jahre. 

Durch die finanzielle Förderung kann sichergestellt werden, dass (syrische) Arbeiter*innen in türkischen Textilfabriken auch künftig Zugang zu Abhilfe und rechtlicher Unterstützung haben. Gemeinsam mit dem Bündnissekretariat setzen sich die drei Modeunternehmen nun für eine langfristige Etablierung des Worker Support Center ein.  

Thomas Ahlers, Manager Corporate Responsibility bei Primark: MUDEM leistet seit Jahren eine enorm wichtige Arbeit, insbesondere für syrische Flüchtlinge, die in der türkischen Textilindustrie beschäftigt sind. Wir freuen uns, dass wir die Fortführung dieser Unterstützung gemeinsam gewährleisten konnten. So haben syrische Arbeitnehmende in der Türkei weiterhin Zugang zu rechtlicher Unterstützung.”

Neben Orsay, Primark und C&A kooperieren auch weitere europäische und internationale Brands mit dem Worker Support Center und nutzen den Beschwerdemechanismus der türkischen NRO. Derzeit sind rund 1.000 Fabriken mit ca. 200.000 Arbeiter*innen Teil des Programms.

Projektpartner treffen sich in der Türkei

Mitte Mai kamen die Projektpartner in Istanbul zusammen, um Best Practices, Herausforderungen und eine mögliche Projektfolgephase zu besprechen. Ein besonderes Highlight: Koordiniert durch Orsay, C&A und Primark konnten sie mehrere Fabriken besichtigen. Gemeinsam mit den Fabrikmanagern diskutierten sie insbesondere die Möglichkeiten und Herausforderungen im Hinblick auf die Beschäftigung geflüchteter Menschen. Darüber hinaus besprachen sie die Zusammenarbeit mit dem Worker Support Center, dessen Infoposter in den Fabriken aushängt.  

Eine familiengeführte Stickerei, die unter anderem für C&A und Primark produziert, beschäftigt beispielsweise 26 syrische Geflüchtete, die rund die Hälfte der Belegschaft ausmachen. Bei einem Training informierten die Mitarbeiter*innen von MUDEM einen Teil von ihnen bereits über ihre Rechte und die Arbeit des Worker Support Center. Ein weiteres Training ist bereits geplant, um die gesamte Arbeiterschaft aufzuklären.

„Im Textilbündnis ist es uns wichtig, lokale zivilgesellschaftliche Anlaufstellen für Beschwerden zu fördern. Diese agieren im Interesse der Beschäftigten, kennen ihre Belange und Herausforderungen. Die lokale Nähe und Sprache erleichtern den Zugang und die Nutzung. Primark, Orsay und C&A zeigen, dass solche Kooperationen zwischen einkaufenden Unternehmen und lokalen Organisationen funktionieren und weiter gefördert werden sollten,“ so Lara Hutt vom Bündnissekretariat. 

*Während Orsay in Folge der Coronapandemie seine Tätigkeit in Deutschland beenden und somit alle Läden schließen musste, führt der Fashion Cube (eine Gruppe von sechs Fashion-Unternehmen, zu der auch Orsay gehört) seine Tätigkeit und somit auch seine Kooperation mit MUDEM weiter. 

Hintergrund

In der Türkei leben rund 2 Millionen Syrer*innen im arbeitsfähigen Alter zwischen 19 und 64 Jahren. Nur 3 Prozent von ihnen (rund 62.370 Personen) arbeiteten 2020 laut Statistiken des Ministeriums für Arbeit und Soziales mit einer Arbeitserlaubnis.  

Öffentlichen Quellen zufolge sind schätzungsweise 500 000 bis 1 000 000 Syrer*innen im informellen Sektor der Türkei beschäftigt, dies macht sie in hohem Maße anfällig für soziale Risiken: illegale Arbeit, ungesunde und unmenschliche Arbeitsbedingungen, Diskriminierung und Missbrauch, Bezahlung unter dem gesetzlichen Mindestlohn, lange Arbeitszeiten und fehlende Sozialleistungen. 

MUDEM-Refugee Support Center

Das MUDEM – Refugee Support Center wurde 2014 in Ankara (Türkei) gegründet, um im In- und Ausland Probleme vulnerabler Gruppen zu adressieren. Dazu gehören Asylsuchende, Geflüchtete, Einwanderer, Opfer von Menschenhandel, Antragsteller*innen auf internationalen Schutz und Staatenlosen. Heute arbeitet das MUDEM-RSC in sechs Städten, darunter Istanbul, Ankara und Izmir, mit über 100 Mitarbeiter*innen und führt acht Projekte durch, die Geflüchteten und Asylbewerber*innen soziale und rechtliche Unterstützung beim Zugang zu Rechten und Dienstleistungen bieten. Eines dieser Projekte ist das Worker Support Center (WSC), das 2018 gegründet wurde. Das WSC ist ein webbasiertes Projekt und bietet Arbeiter*innen im Textilsektor kostenlose Beratung bei sozialen und rechtlichen Problemen sowie Missständen am Arbeitsplatz 

Wie arbeitet das WSC? 

Der Prozess beginnt mit der Eingabe der Beschwerde oder des Anliegens über workersupportcenter.org. Mitarbeiter*innen von MUDEM (Case-Manager*innen) rufen den Arbeiter oder die Arbeiterin zurück und besprechen, wie das Anliegen gelöst werden kann. Arbeitet die Person in einem Zulieferbetrieb von Unternehmen, die mit MUDEM zusammenarbeiten, erstellt MUDEM gemeinsam mit dem einkaufenden Unternehmen einen Verbesserungs- und Abhilfeplan. 

Die häufigsten Beschwerden betreffen:  

  1. Arbeitserlaubnis,
  2. Löhne
  3. Sonstiges (Arbeitssuche, Personalausweis, Kinderarbeit, Umsiedlung)
  4. Missbrauch am Arbeitsplatz
  5. Beendigung der Beschäftigung 
  6. Soziale Rechte
  7. Sicherheit am Arbeitsplatz