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24.06.25

Unterstützung von Zulieferern auf ihrem Weg zu geschlechterspezifischen Daten: Erkenntnisse aus dem ETI/BnT-Pilotprojekt in Indien

Im Oktober 2023 starteten die Ethical Trading Initiative (ETI) und das Bündnis für nachhaltige Textilien (BnT) ein gemeinsames Pilotprojekt in Tamil Nadu, Indien. Ziel war es, zu untersuchen, wie Modemarken und ihre Zulieferer gemeinsam daran arbeiten können, geschlechterspezifisch aufgeschlüsselte Daten besser zu verstehen und in die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht zu integrieren.

Diese Initiative unterstreicht die Bedeutung geteilter Verantwortung und gemeinsamen Lernens zwischen Marken und Zulieferern, um Ungleichheiten am Arbeitsplatz zu bekämpfen und verantwortungsvolle Geschäftspraktiken zu fördern.

Warum geschlechterspezifisch aufgeschlüsselte Daten?

In den letzten Jahren haben ETI und PST ihre jeweiligen Mitgliedsunternehmen für den Wert geschlechterspezifischer Lieferkettendaten sensibilisiert. Im Zuge der Verbreitung des ETI-Leitfadens zu Gender-Daten berichteten viele Marken jedoch von einer gemeinsamen Herausforderung: begrenzte Kapazitäten der Zulieferer und mangelndes Vertrauen in die korrekte Erfassung dieser Daten.

Marken sind darauf angewiesen, dass ihre Zulieferer ihnen Daten zur Verfügung stellen, beispielsweise durch Selbstauskunftsformulare oder andere Dokumentationen.

Allerdings gibt es oft Probleme mit der Genauigkeit der Daten und ein generelles Unverständnis seitens der Zulieferer, warum diese Daten zur Verfügung gestellt werden sollten. Häufig werden in den Arbeitsplatzdaten alle Arbeitskräfte als eine homogene Gruppe behandelt, was es erschwert, bestimmte Risiken und Ungleichheiten zu verstehen, die möglicherweise mit dem Geschlecht zusammenhängen. Dies verschleiert Muster der Diskriminierung oder Ungleichbehandlung und kann zu gut gemeinten Maßnahmen führen, die nicht auf die spezifischen Bedürfnisse von Frauen, gender-diversen Personen und anderen marginalisierten Gruppen eingehen.

Geschlechterspezifisch aufgeschlüsselte Daten helfen allen Beteiligten – Marken, Zulieferern und Beschäftigten –, die Ursachen von Ungleichheiten am Arbeitsplatz besser zu verstehen und gezielt anzugehen.

Ziele des Projekts

Das Pilotprojekt arbeitete mit einer Auswahl von ETI- und BnT-Mitgliedsunternehmen und deren Zulieferern aus dem Bekleidungssektor zusammen, um deren Verständnis für geschlechterspezifische Daten zu entwickeln. Bei der Arbeit mit Tier-1-Zulieferern im Bekleidungssektor von Tamil Nadu konzentrierte sich das Pilotprojekt auf folgende Punkte:

  • Aufbau eines gemeinsamen Verständnisses von geschlechterspezifisch aufgeschlüsselten Daten zwischen Marken und Zulieferern
  • Schaffung von Raum für Reflexion und Dialog darüber, wie geschlechterspezifische Dynamiken die Erfahrungen am Arbeitsplatz beeinflussen
  • Gemeinsame Entwicklung praxisnaher Leitlinien, die Zulieferer bei der Erhebung, Analyse und Nutzung von Gender-Daten unterstützen
Was wir gelernt haben

Die Bedarfsermittlung und die Aktivitäten zur Einbindung der Zulieferer ergaben mehrere systemische Hindernisse:

  1. Compliance-Kultur schränkt sinnvolle Datennutzung ein: Zulieferer interpretieren Datenanfragen häufig als Teil von Audits, was zu einem transaktionalen Ansatz führt, anstatt auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen abzuzielen.
  2. Begrenzte Nutzung vorhandener Daten: Zulieferer erfassen möglicherweise bereits Daten zu Fehlzeiten, Fluktuation oder zur Zusammensetzung der Belegschaft, ohne diese jedoch differenziert oder unter geschlechterspezifischen Gesichtspunkten aufzuschlüsseln oder zu analysieren. Dies schränkt ihre Möglichkeiten ein, auf Probleme zu reagieren, die die Arbeitnehmer*innen unterschiedlich betreffen.
  3. Kultureller und struktureller Widerstand: Einige Zulieferer arbeiten in Umfeldern, die stark von traditionellen Geschlechterrollen geprägt sind. In solchen Kontexten wird die Anerkennung oder Bekämpfung von Geschlechterungleichheit oft als unnötig oder nicht geschäftsrelevant angesehen.
  4. Wahrgenommene Kosten überwiegen den wahrgenommenen Nutzen: Viele Zulieferer betrachten die Erhebung und Analyse geschlechterspezifischer Daten als ressourcenintensiv und ohne unmittelbaren geschäftlichen Mehrwert. Solange kein klarer Zusammenhang zu betrieblichen Verbesserungen oder zum Wohlbefinden der Beschäftigten erkennbar ist, wird eine Investition in diesem Bereich nachrangig behandelt.
Leitfaden für Zulieferer zu geschlechterspezifisch aufgeschlüsselten Daten

Als Reaktion auf diese Erkenntnisse haben ETI und BnT einen neuen, auf Zulieferer ausgerichteten Leitfaden entwickelt, der praktische Ansätze für die Erhebung und Nutzung geschlechterspezifischer Daten unterstützt.

Der Leitfaden umfasst:

  • Eine Einführung in geschlechterspezifisch aufgeschlüsselte Daten, was sie sind und warum sie wichtig sind
  • Eine Reihe von Schlüsselindikatoren für geschlechterspezifische Daten, wie sie zu erheben sind und was sie aussagen
  • Ansätze zur Analyse, die zeigen, wie Daten zu inklusiveren Richtlinien und Praktiken beitragen können

Wichtig ist, dass der Leitfaden anerkennt, dass sich die Zulieferer an verschiedenen Punkten ihres Weges befinden und dass Fortschritte die Zusammenarbeit und nicht die alleinige Einhaltung von Vorschriften erfordern.

Wenn geschlechterdifferenzierte Daten effektiv genutzt werden, helfen sie dabei, Probleme aufzudecken, die andernfalls unbemerkt bleiben könnten, und ermöglichen gezielte Maßnahmen, die die tatsächlichen Erfahrungen aller Arbeitnehmer*innen eingehen.

Nächste Schritte

Zulieferer spielen eine entscheidende Rolle bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, die fair und sicher sind und die Rechte aller respektieren. Durch die Nutzung von Daten können Zulieferer die Ursachen geschlechtsspezifischer Diskriminierung in ihren Fabriken aufdecken und über das bloße Behandeln von Symptomen hinausgehen. Letztendlich sind geschlechterspezifisch aufgeschlüsselte Daten nur dann wertvoll, wenn sie sorgfältig analysiert und als Entscheidungsgrundlage verwendet werden, um positive Veränderungen für alle Arbeitnehmer, insbesondere Frauen und andere marginalisierte Gruppen, zu bewirken. Dieser Leitfaden soll diesen Prozess unterstützen – nicht vorschreiben. Wir laden sowohl Lieferanten als auch Marken ein, ihn als Werkzeug für Reflexion, Dialog und praktische Veränderungen zu nutzen.

Der Leitfaden für Lieferanten zu geschlechterspezifisch aufgeschlüsselten Daten kann unten heruntergeladen werden.

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