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Start der Bündnisinitiative Bio-Baumwolle in Indien für mehr Transparenz und Fairness

Aktuelles
28.04.2022

Start der Bündnisinitiative Bio-Baumwolle in Indien für mehr Transparenz und Fairness

Mehr als 11.500 Baumwollproduzenten sollen vom Projekt profitieren

Die Bündnisinitiative Bio-Baumwolle in Indien nimmt nun ihre Arbeit auf. Zwölf Unternehmen und Organisationen haben sich zusammengeschlossen, um die Lieferkette biologischer Baumwolle fair, umweltfreundlich und wirtschaftlich tragfähig zu gestalten. 11.500 Baumwollproduzentinnen und -produzenten in den indischen Bundesstaaten Maharashtra, Madhya Pradesh, Rajasthan, Odisha and Gujarat sollen von dem Projekt profitieren, indem sie auf ökologischen Anbau umstellen.

An der Bündnisinitiative Bio-Baumwolle in Indien beteiligen sich diese zehn Unternehmen und Organisationen: ALDI NORD, ALDI SÜD, Brands Fashion, C&A, Esprit, Formesse, GOTS, HAKRO, H&M Group, s.Oliver Group, Tchibo und Fairtrade.  Das Bündnis für nachhaltige Textilien und sein strategischer Partner Organic Cotton Accelerator (OCA) koordinieren das Projekt, das bis August 2025 läuft.

Interview mit Dr. Jürgen Janssen, Leiter Bündnissekretariat | © GIZ

„Die neue Bündnisinitiative hat gleich mehrere positive Effekte; für die Landwirte, die mehr verdienen und eine größere Absatzsicherheit erhalten, für die Textil- und Modeunternehmen, die mehr Bio-Baumwolle einkaufen können und nicht zuletzt für die Umwelt. Sie ist außerdem ein gutes Beispiel für eine gelungene privat-öffentliche Finanzierung: Die Unternehmen übernehmen mehr als drei Viertel der Kosten, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert den Rest über zwei GIZ-Vorhaben,“ so Jürgen Janssen, Leiter des Textilbündnis-Sekretariats.

Verbesserungen für Baumwollproduzenten und die Umwelt

Die Bündnisinitiative hilft Baumwollproduzentinnen und -produzenten, ihre Geschäftsgrundlage zu stärken und die Bedingungen für ein wachsendes Angebot an Bio-Baumwolle zu verbessern. Dazu erhalten die Bäuerinnen und Bauern im Rahmen des „OCA Farm Programme“ gentechnikfreies Saatgut und Unterstützung bei der Umstellung auf ökologischen Landbau, unter anderem durch Trainings zu ökologischen Anbaumethoden und zu menschenwürdigen Arbeitsbedingungen.

OCA arbeitet in Indien mit lokalen Kooperativen und Umsetzungspartnern zusammen. Diese Kontakte und Strukturen bringt die Organisation auch in die Bündnisinitiative ein. Im Gegenzug verpflichten sich die an der Bündnisinitiative beteiligten Unternehmen dazu, drei Jahre lang feste Mengen zertifizierter Bio-Baumwolle bzw. Baumwolle in Umstellung abzunehmen und den Bauern und Bäuerinnen eine Prämie zu zahlen, die über dem Marktpreis liegt.

Ökologische Anbaumethoden und der Verzicht auf synthetische Düngemittel und Pestizide nutzen der Umwelt. Tausende Hektar Ackerland lassen sich so regenerieren, was langfristig zu gesunden Böden und größerer biologischer Vielfalt führt. Dennoch hadern viele Farmer und Farmerinnen mit der Umstellung von konventionellem auf Bio-Anbau, weil diese in der Regel drei Jahre dauert und vorübergehend zu geringeren Erträgen und damit zu finanziellen Einbußen führen kann.

„Ambitionierte Ziele für die Beschaffung von Bio-Baumwolle sind großartig, aber sie müssen mit konkreter Unterstützung für die Produzentinnen und Produzenten kombiniert werden, insbesondere für diejenigen, die von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft umstellen. Die Textilbündnis-Mitglieder haben verstanden, dass zusätzlicher Einsatz nötig ist, um ihre Ambitionen in Bezug auf Bio-Baumwolle zu verwirklichen und den Bauern und Bäuerinnen langfristige Abnahmegarantien und bessere Preise zu bieten,“ erläutert Bart Vollaard, OCA-Exekutivdirektor.

Somit trägt die Bündnisinitiative auch dazu bei, das Angebot an Bio-Baumwolle auf dem Weltmarkt zu erhöhen. Indien bietet diesbezüglich besonders großes Potenzial. Zum einen ist das Land schon jetzt einer der wichtigsten Erzeuger von Bio-Baumwolle. Zum anderen verfügt Indien über große Flächen, die sich für die Umstellung auf ökologischen Anbau eignen.

Exkurs: Was ist eigentlich In-conversion-Baumwolle?

Nicht ganz konventionell, aber auch noch nicht bio-zertifiziert, was ist das also?

In-conversion-Baumwolle ist der Rohstoff, der von konventionellen Landwirtinnen und Landwirten während eines dreijährigen Prozesses erzeugt wird, bis sie vollständig ökologisch ist. Sie wird auch als „Umstellungsbaumwolle“, „Umstellungsbaumwollfaser“, „Übergangsbaumwolle“ oder „Baumwolle in der Umstellungsphase“ bezeichnet. Während dieser Zeit wenden die Bäuerinnen und Bauern ökologische Anbaumethoden an, indem sie beispielsweise auf synthetische Pestizide und gentechnisch verändertes Saatgut verzichten.

Ist die Bio-Zertifizierung garantiert?

Der Abschluss der Umstellung ist kein unmittelbares Ticket zur Bio-Zertifizierung. Teil des Zertifizierungsprozesses ist die Bewertung und Überprüfung durch zugelassene Stellen. Dennoch haben Landwirtinnen und Landwirte, die sich während der Umstellungsphase zu ökologischen Praktiken verpflichten, eine hohe Chance, eine vollständige Bio-Zertifizierung zu erhalten. Um ihre Praktiken effektiv mit den Zertifizierungsanforderungen in Einklang zu bringen, ist unter Umständen fachkundige Anleitung oder die Teilnahme an einer Peer-Learning-Gruppe notwendig.

Warum spielt das eine Rolle?

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Landwirtinnen und Landwirte spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, das Wohlergehen unserer Böden und der Artenvielfalt während des Umstellungsprozesses zu gewährleisten. Durch die Verwendung von nicht gentechnisch verändertem Saatgut und den Verzicht auf schädliche synthetische Chemikalien schützen sie die Gesundheit von nützlichen Insekten und Vögeln und unterstützen so die natürliche Umwelt. Indem sie ihre ökologischen Anbausysteme an die örtlichen Gegebenheiten anpassen, kann die Gesundheit von Böden, Ökosystemen und Menschen erhalten und verbessert werden.

Mehr Transparenz in der Lieferkette

Da die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten weiter steigt, unterstützen immer mehr Marken die Landwirtinnen und Landwirte auf ihrem Weg zum ökologischen Landbau. Dies fördert nicht nur eine transparentere Lieferkette, sondern gibt Verbraucher*innen auch die Möglichkeit, fundierte Entscheidungen über die Produkte zu treffen, die sie kaufen.

Vorteile für Mensch und Boden

Baumwollbäuerinnen und -bauern, die sich für die Umstellung auf den ökologischen Landbau entscheiden, ergreifen auch Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit ihrer Böden. Diese Praktiken sind nicht nur für die Umwelt von Vorteil, sondern auch für die Gesundheit der Landwirtinnen und Landwirte, da keine Pestizide und Chemikalien verwendet werden. Darüber hinaus erwerben die Bäuerinnen und Bauern, die sich auf diesen Weg begeben, neue Fähigkeiten, wie z. B. die Erzeugung von biologischen Betriebsmitteln aus lokal verfügbaren natürlichen Ressourcen und die Verringerung ihrer Abhängigkeit von externen Quellen. Neben der Ausbildung erhalten die Landwirtinnen und Landwirte oft auch finanzielle Anreize, wie z. B. im Voraus bezahltes, nicht gentechnisch verändertes Saatgut. Baumwolle ist für sie eine wichtige Lebensgrundlage, da sie ihnen hilft, ihre Haushalte zu ernähren und viele Bäuerinnen und Bauern auf ihr Einkommen aus dem Baumwollanbau angewiesen sind. Sobald die Baumwolle als biologisch zertifiziert ist, kann sie über Marktverknüpfungsplattformen an internationale Marken und Einzelhändler verkauft werden.

Ein weiterer Vorteil ist die Diversifizierung der Anbauprodukte, die die übermäßige Abhängigkeit von einem Rohstoff wie Baumwolle verringert und die allgemeine Gesundheit und Ernährung der Landwirtinnen und Landwirte sowie ihrer Familien verbessert. Bei der Umstellung auf Bio-Baumwolle können auch die Produktionskosten gesenkt werden, da statt der teuren Agrochemikalien, die in konventionellen Anbausystemen verwendet werden, biologische Betriebsmittel eingesetzt werden.

Gemeinsames Engagement im Textilbündnis

In Bündnisinitiativen engagieren sich mehrere Bündnismitglieder direkt in den Produktionsländern, etwa für existenzsichernde Löhne, ein gutes Abwassermanagement, effektive Beschwerdemechanismen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen im südindischen Tamil Nadu. Wo einzelne Akteure an Grenzen stoßen, können die Mitglieder gemeinsam bessere Ergebnisse für die Menschen und die Umwelt in den Produktionsländern erreichen.

Bereits 2020 starteten mehrere Bündnismitglieder ein Pilotprojekt zu Bio-Baumwolle in Indien (Süd-Odisha). Ziel ist, die Menge an verfügbarer Bio-Baumwolle auf dem Weltmarkt zu erhöhen, unter anderem durch Trainings, gezielte Förderung von Frauen, Unterstützung bei der Umstellung auf Bio-Anbau, gentechnikfreies Saatgut, Abnahmegarantien und Prämien.

Die Bündnisinitiative und das Pilotprojekt tragen dazu bei, das gemeinsame Ziel der Textilbündnis-Mitglieder zu erreichen: Bis 2025 soll der Anteil der nachhaltigen Baumwolle, die Mitgliedsunternehmen beschaffen, auf insgesamt 70 Prozent steigen, der Anteil der darin enthaltenen Bio-Baumwolle auf 20 Prozent.