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Produktklone: Interview mit Maike Rabe

Aktuelles
04.07.2022

Produktklone: Interview mit Maike Rabe

Produkte nachhaltig und kreislauffähig designen?!

Ein Projekt der Arbeitsgruppe Recycling zeigte, dass das möglich ist. Ziel war es, nachhaltigere Produkt-Upgrades oder Versionen zu entwickeln. Neun Bündnisunternehmen nominierten zehn ihrer Produkte und ließen sie vom Forschungsinstitut für Textil und Bekleidung (FTB) der Hochschule Niederrhein hinsichtlich Kreislauffähigkeit, Langlebigkeit, Sortenreinheit und Recyclingfähigkeit analysieren.

Prof. Dr. Maike Rabe, Leiterin des Forschungsinstituts, erzählt uns mehr über das Projekt. Das Interview wurde bereits im Textilbündnis-Jahresbericht 2021 veröffentlicht.

Bitte sagen Sie uns, wer Sie sind und was Ihre konkrete Rolle im Projekt war?

Als Professorin für Textilveredlung und Ökologie an der Hochschule Niederrhein und Leiterin des Forschungsinstituts für Textil und Bekleidung (FTB) habe ich zusammen mit meiner Kollegin Ellen Bendt, Professorin für Strickdesign und innovatives Produktdesign, das Projekt geleitet und konzeptionell entwickelt. Dazu gehörten die Ausgestaltung des vom Textilbündnis geprägten Begriffs „Produktklon“, die wissenschaftliche Recherche zum Stand von Forschung und Technik in der Kreislaufwirtschaft, die Methodik zur Entwicklung kreislauffähiger Produkte und die konsequente Verfolgung des Projektziels.

Durch Einbindung von Studierenden überwiegend aus unseren Masterstudiengängen in dieses Vorhaben konnten zudem Kenntnisse der Kreislaufwirtschaft anwendungsnah vermittelt werden. Das Team wurde durch die Textilingenieurin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am FTB Benita Rau ergänzt. Sie brachte ihre umfassenden Kenntnisse als Auditorin und Zertifiziererin für Nachhaltigkeitsstandards in das Vorhaben ein und sorgte als Projektmanagerin für einen reibungslosen Ablauf und eine enge Zusammenarbeit mit dem Textilbündnis und den beteiligten Unternehmenspartnern.

Was ist denn überhaupt ein Produktklon? Könnte Sie das kurz in eigenen Worten erklären?

Der Begriff Produktklon wird in der Textil- und Bekleidungswirtschaft bisher nicht verwendet und wurde von uns deshalb neu definiert. Der Begriff „Klon“ ist aus dem Bereich der Gentechnik und Informatik bekannt. In der Gentechnik handelt es sich um Individuum, das genetisch identisch zu einem anderen Lebewesen ist, in der Informatik hingegen um den Nachbau eines Systems oder einer Software. Ein Bezug zu Nachhaltigkeit ist nicht gegeben. Der Begriff des Klons in der Textil- und Bekleidungswirtschaft wurde im Projekt mit Nachhaltigkeit und Kreislauffähigkeit verbunden und folgendermaßen definiert:

  • Ein Produktklon ist der Nachbau eines Objekts, der aus Sekundärrohstoffen (recycelten Rohstoffen) besteht und selbst kreislauffähig (recyclingfähig) ist.
  • Der Produktklon ist keine Kopie, sondern eine Verbesserung des Originals, nur Style und Grundfunktion sollen als Produkt-DNA erhalten bleiben, der Produktpreis sollte sich nicht erhöhen.
  • Die neue Rohstoffauswahl, der Herstellungsprozess, die Nutzungsphase und die Rückführung am Ende des Produktlebens zu Sekundärrohstoffen dürfen nicht zu einer Verschlechterung des ökologischen Fußabdrucks führen.
Was hat Sie bei dem Projekt besonders überrascht? Was waren die größten Herausforderungen und bei welchem Produkt?

Überrascht wurden wir in erste Linie von der Komplexität des Themas in der Umsetzung und der Schwierigkeit, Produktcluster zu bilden und dadurch Produktklone für ganze Artikelgruppen zu entwickeln. Weiterhin war überraschend, dass für Artikel in der Kreislaufwirtschaft sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle gefunden werden müssen, von Re-Purpose und Re-Use bis hin zu Recycling. Sehr positiv beeindruckt waren wir von der Handlungsbereitschaft der Firmen und auch dem Vertrauen, das sie unserem Team entgegenbrachten. Ein Produktklon kann nämlich nur bei sehr tiefem Verständnis für das Produkt und auch einer hohen Detailkenntnis für alle Eigenschaften und Funktionen entwickelt werden.

Die größte Herausforderung ist und bleibt der noch an vielen Stellen fehlende Reifegrad der Recyclingprozesse, insbesondere wenn über eine einfache Kreislaufpassage hinaus mehrere Passagen dargestellt werden müssen. Die zweitgrößte Herausforderung sind die Kosten für Sekundärrohstoffe, für Logistikkonzepte und die Recyclingprozesse selbst.

Wie lief die Zusammenarbeit mit den Unternehmen, die ihre Produkte für das Projekt zur Verfügung gestellt haben?

Die Zusammenarbeit mit den Unternehmen gestaltete sich sehr positiv und wertschätzend. Die Einzelgespräche am Ende der Produktanalyse waren sehr informativ und hilfreich für die anschließende Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen. Wir waren sehr dankbar für den offenen Austausch und erhielten dadurch einen spannenden Einblick in die Arbeit und Herangehensweise der einzelnen Unternehmen zu diesem Thema. Es wurde deutlich, dass ein intensiver Austausch mit den teilnehmenden Unternehmen eine wichtige Basis für solch ein Projektvorhaben ist.

Wo sehen Sie das größte Potential? Lassen sich die Erkenntnisse auch in der Breite anwenden?

Es haben sich während des Projektes einige wiederkehrende Stellschrauben herauskristallisiert. Die Grundansätze lassen sich in jedem Fall in der Breite anwenden. Dennoch wurde sehr deutlich, dass die Umsetzung sehr individuell vom Produkt und seinen jeweiligen Anforderungen abhängt. Der Monomaterial-Ansatz einer Socke, bei dem sehr viel über die Verfahrenstechnik und Bindung erreicht werden kann, gestaltet sich beispielsweise ganz anders als bei einer Wanderhose, bei der die Kreislaufwirtschaft über die Auswahl alternativer Materialien oder schnitttechnisch gelöst werden kann.

Großes Potential liegt sicherlich bei sogenannten Design-Guidelines, die individuell auf ein Produkt angepasst werden können. Ein detailliertes Hintergrundwissen zu den einzelnen Stellschrauben ist erforderlich. Hier können die Erkenntnisse aus dem Produktklon-Projekt sicherlich eine erste Hilfestellung geben.

Was wäre Ihr Wunsch für die weitere Projektarbeit?

Wie bereits erwähnt, hat der Projektverlauf gezeigt, dass der Austausch mit den einzelnen Unternehmen und eine gute Informationslage sehr wichtig für die erfolgreiche Projektarbeit sind. Hier würden wir uns zukünftig Arbeitsteams wünschen, in denen die Firmen selbst auch aktiv mitwirken. Die Erfahrung zeigt auch, dass für die Problemlösung längere Zeiträume eingeplant werden müssen.