Podiumsdiskussion „Future Supply Chain Relations“
Wie sehen die Lieferkettenbeziehungen der Zukunft aus? Und welche Perspektiven und Erwartungen haben die Akteure in den Produktionsländern? Um diese Fragen ging es bei einer virtuellen Podiumsdiskussion am 25. November. Diese war Teil der 6. Mitgliederversammlung des Bündnisses für nachhaltige Textilien.
Neben den Perspektiven und Erwartungen aus Produktionsländern ging es auch darum, welche Schwächen in Lieferketten durch COVID-19 besonders deutlich geworden sind. Jürgen Janssen, Leiter des Bündnissekretariats, diskutierte mit den fünf Panelist*innen auch, wie ein „neues Normal“ aussehen kann und sollte. Die Aufzeichnung der Podiumsdiskussion finden Sie am Ende der Seite. Im Graphic Recording sind die zentralen Diskussionspunkte und Ergebnisse festgehalten:
Der Podiumsdiskussion vorgeschaltet war ein Impulsvortrag von Saskia Hedrich (McKinsey Apparel and Luxury Division). Darin ging sie auf Ergebnisse der McKinsey-Studie „Time for change: How to use the crisis to make fashion sourcing more agile and sustainable“ ein. Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie zeigte Hedrich Veränderungen in der Textilbranche auf und präsentierte die von McKinsey identifizierten Chancen für eine systemische Transformation.
Zu Beginn der Podiumsdiskussion stellte die Präsidentin des Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association BGMEA, Dr. Rubana Huq, ein Machtgefälle in den derzeitigen Lieferbeziehungen fest. Zulieferer und Produzenten seien darin deutlich benachteiligt und müssten zu gleichberechtigten Partnern werden, wenn die Branche sich wirklich transformieren will. Huq unterstrich die Bedeutung einer veränderten Kräfteverteilung hin zu mehr Gleichberechtigung, bei der alle Beteiligten fair miteinander umgehen und den Wandel gemeinsam gestalten.
Trotz der zu erwartenden unsicheren Nachfrage in den kommenden Monaten bleibt Huq zuversichtlich, denn die schwierigen, aber notwendigen Gespräche zwischen den Beteiligten finden mehr und mehr statt. Von der deutschen bzw. europäischen Regierung erwartet sie Unterstützung unter anderem bei sozialen Sicherungssystemen, einschließlich Sozialversicherungen und Systemen der Zahlungsgarantie.
Herman Leung (Head of Operations, DAKOTA Garment Group) betonte, wie wichtig es sei, dass Käufer und Zulieferer in Entscheidungsprozessen besser zusammenarbeiten. Notwendig sei, grundlegend zu überdenken, wie Order platziert werden. Änderungen laufender Order zögen allzu oft eine Kettenreaktion nach sich, die zulasten der Beschäftigten in der Lieferkette gehe. Was könnten die nächsten Schritte sein, um Lieferkettenbeziehungen zu verbessern?
Leung beantwortet das ganz klar mit Investitionen in Nachhaltigkeit. Diese müssten umfassend sein und nicht etwa nur neue Produktionsmethoden berücksichtigen, sondern auch bei Verbraucher*innen ansetzen oder das Image von Recyclingmaterial gegenüber primären Rohstoffen steigern. Insgesamt zeigte sich Leung trotz allem optimistisch, dass der Wandel zu bessern Lieferkettebeziehungen gelingen kann. Für diesen Wandel sei es jedoch unerlässlich, auch die Beschäftigten in der Lieferkette einzubinden.
Die Gründerin und Geschäftsführerin der Awaj Foundation Nazma Akter ist als Fürsprecherin für Arbeitnehmerrechte und Gleichberechtigung bekannt. Seit langem setzt sie sich insbesondere für die Rechte von Frauen und Mädchen in der Textilindustrie ein. Das wurde auch bei der Podiumsdiskussion deutlich: Akter schilderte die aufgrund der Pandemie höchst angespannte Lage der Arbeiter*innen in Bangladesch. Zwei Punkte waren ihr besonders wichtig: Zum einen seien Veränderungen in der Lieferkette dringend notwendig und müssten von unten kommen (bottom-up). Zum anderen müssten sich die Einkaufspraktiken der einkaufenden Unternehmen ändern, nicht mehr länger nur ausgerichtet auf Profit, sondern auf das Wohlergehen aller Akteure in der Lieferkette. Transparenz, Partnerschaften und gemeinsames Handeln aller Interessengruppen sind für Akter Schlüsselfaktoren für Veränderungen.
Christina Hajagos-Clausen, Direktorin des Bereichs Textil- und Bekleidung bei IndustriALL, sieht bereits erste Veränderungen in den Liefernetzwerken. Schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie arbeitete die globale Gewerkschaftsföderation IndustriALL daran, die Zusammenarbeit der Akteure in der Textilindustrie zu fördern und Gewerkschaften, Zulieferer und Marken an einen Tisch zu bringen.
Nicht nur Gewerkschaften und Arbeitgeber, sondern auch Zulieferer und Marken müssten besser zusammenarbeiten, um ein Motor des Wandels zu sein. Ihrer Ansicht nach ist es unerlässlich, sowohl den Arbeitnehmer*innen als auch den Zulieferern eine Stimme zu geben. Modemarken müssten für ihre Einkaufspraktiken einstehen.
Mathijs Crietee, Generalsekretär der International Apparel Federation (IAF ), äußerte, dass die Textil- und Bekleidungsbranche dringend einen neuen (Sozial-)Vertrag benötigt. Um die Ausarbeitung solcher neuen vertraglichen Grundlagen in Lieferketten zu unterstützen, arbeitet IAF seit Kurzem mit dem STAR Network (Sustainable Textile of the Asian Region) zusammen. Es ist das erste interasiatische Netzwerk von Produzentenverbänden, in welchem die Produzenten selbst Praktiken definieren, die die Industrie ihrer Ansicht nach braucht, um nachhaltiger und widerstandsfähiger zu werden.
Zum Abschluss fasste Dr. Maria Flachsbarth, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die zentralen Aspekte der Podiumsdiskussion zusammen und stellte die Position der Bundesregierung dar:
„Um negative Auswirkungen auf produzierende Unternehmen zu minimieren, sind die Einhaltung unternehmerischer Sorgfaltspflichten und ein enger und vertrauensvoller Dialog zwischen Marken und Lieferanten unerlässlich. Wie von den Podiumsteilnehmenden erwähnt, sollten faire Einkaufspraktiken diese Beziehungen kennzeichnen. […] Der Textilsektor ist ein Schlüsselsektor – das BMZ hilft mit einem globalen Corona-Sofortprogramm. Ziel ist es, Arbeitsplätze zu retten und Unternehmen zu unterstützen. Gemeinsam mit der Internationalen Arbeitsorganisation ILO leisten wir auch direkte Unterstützung für Textilarbeiterinnen und -arbeiter: durch Pandemie-Präventionsmaßnahmen am Arbeitsplatz oder durch befristete Lohnsubventionen, insbesondere für Frauen. […] Jetzt müssen wir mehr denn je und auch in der Textilindustrie die Weichen für eine Erholung der Weltwirtschaft stellen, die auf einem neuen Paradigma der Nachhaltigkeit und Fairness beruht. […] Gemeinsam mit der Textilbündnis arbeiten wir an einem „neuen Normal“: Menschen auf der ganzen Welt sollen unter fairen Bedingungen arbeiten, gleichzeitig müssen wir Maßnahmen zum Schutz der Umwelt ergreifen.“
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