Erstes rechtsverbindliches Übereinkommen zu Geschlechtsspezifischer Gewalt in Asien
Im April 2022 wurde mit dem Dindigul Agreement das erste rechtsverbindliche Übereinkommen zu Geschlechtsspezifischer Gewalt in Asien unterzeichnet. Mit H&M gehört auch ein Bündnismitglied zu den Unterzeichner*innen, darüber hinaus PVH, GAP, die frauengeführte Gewerkschaft Tamil Nadu Textile and Common Labour Union (TTCU) sowie der lokale Zulieferer Eastman Exports. Das Abkommen fand viel Beachtung in Presse und Medien, die von einem „Landmark Agreement“ sprachen.
Geschlechtsspezifische Gewalt ist ein weit verbreitetes Problem in Produktionsstätten der Textilindustrie. Anfang 2021 wurde die 21-jährige Jeyasre Kathiravel ermordet, die bei Natchi Apparels, einer Fabrik von Eastman Exports, arbeitete. Die junge Frau gehörte zur untersten Gruppe der hinduistischen Gesellschaft (Dalit). Als Reaktion auf den Mord schlossen sich Kolleginnen und weitere Frauen in der Kampagne „Justice for Jeyasre“ zusammen. Mit Erfolg forderten sie Veränderung. Denn das Ziel des Dindigul Agreement ist es, geschlechtsspezifischer Gewalt bei Natchi Apparels ein Ende zu setzen. Dazu sollen Trainings angeboten und interne Beschwerdemechanismen (ICC und Shopfloor Monitors) aufgebaut werden. Zudem sollen Frauen, insbesondere Dalit, in Management-Positionen befördert werden. Benannt ist das Abkommen übrigens nach der gleichnamigen Region im indischen Bundesstaat Tamil Nadu.
Lokale Organisationen tauschen sich mit Bündnismitgliedern aus
Das Dindigul Agreement weckte auch das Interesse der Bündnismitglieder: Im Juni 2022 organisierte die Arbeitsgruppe zu Geschlechtergerechtigkeit einen Austausch mit TTCU sowie den Unterstützerorganisationen Asia Floor Wage Alliance (AFWA) und Global Labour Justice (GLJ). Im direkten Austausch erfuhren die Mitglieder, wie es zu dem Abkommen gekommen war, wo die Umsetzungsschwerpunkte liegen und was die unterschiedlichen Rollen und Verantwortlichkeiten der Unterzeichner*innen sind.
Beim OECD Garment Forum im Februar 2023 co-organisierte das Textilbündnis die Side Session „Advancing Gender Justice on Asian Fast Fashion Supply Chains: Learnings from the Dindigul Agreement”. Thivya Rakini, Präsidentin der TTUC, berichtete von ersten Lernerfahrungen und Ergebnissen der Umsetzung: Schon ein Jahr nach Inkrafttreten des Agreements geben Arbeiter*innen an, dass sie sich am Arbeitsplatz sicher fühlen. Außerdem nahmen Beschwerdefälle zu – ein Zeichen für das Vertrauen in die seitdem etablierten Mechanismen. Auf dem Panel der Side Session waren auch Luisa Scheuber vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und Gisela Burckhardt vom Bündnismitglied FEMNET und warben für eine Unterstützung und Ausweitung des Übereinkommens.
Luisa Scheuber (BMZ): „Die aktuellen Ansätze stoßen an ihre Grenzen. Viele Unternehmen und Organisationen fokussieren auf Sensibilisierung und Training. Das ist wichtig. Nur wenn Frauen ihre Rechte kennen, können sie diese auch einfordern. Aber Trainings allein bringen noch keine Veränderung. Dazu braucht es unter anderem Zugang zu Gewerkschaften, eine starke Rolle von Frauen in Unternehmen und Gewerkschaften sowie einen funktionierenden sozialen Dialog.“
Auch hier setzt das Dindigul Agreement an: Es stärkt die frauengeführte Gewerkschaft TTCU und stellt den Zugang der Frauen von Natchi Apparels zu Gewerkschaften sicher.
Bündnisinitiative soll die Ausweitung des Dindigul Agreement unterstützen
Gute Arbeit weltweit steht für Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze und die deutschen Entwicklungszusammenarbeit besonders im Fokus. Ein wichtiger Schlüssel dazu sind Vereinigungsfreiheit und starke Gewerkschaften. Darüber hinaus seien zentrale Maßnahmen für gute Arbeit weltweit die gezielte wirtschaftliche Stärkung von Frauen als Unternehmerinnen, Führungskräfte und Beschäftigte sowie eine Arbeitsmarktpolitik, die zu einer Gleichstellung der Geschlechter beiträgt, teilte das Ministerium kürzlich mit.
SDG-Botschafter Reiner Hoffmann: „Menschenwürdige Arbeit, faire Löhne und Arbeitsbedingungen sind eine Grundvoraussetzung für ein Leben in Würde, für ein Leben in Wohlstand. Nur durch eine sozialverträgliche Arbeitswelt und insbesondere die Stärkung von Frauen gelingt gute Arbeit weltweit.“
Deswegen planen das Bündnissekretariat und die zwei Bündnismitglieder BMZ und FEMNET, das Dindigul Agreement mit einer Bündnisinitiative zu unterstützen. Weitere Bündnismitglieder sollen sich daran beteiligen. Ziel ist es, konkrete Verbesserungen für Frauen vor Ort zu erreichen und Arbeitsbedingungen zu schaffen, in denen sie keine Angst vor geschlechtsspezifischer Gewalt und Diskriminierung haben müssen. Dazu wollen die Beteiligten das Dindigul Agreement auf weitere Zulieferer in der Region Tamil Nadu und gegebenenfalls darüber hinaus ausweiten. Die Bündnisinitiative würde auch auf das Textilbündnis-Fokusthema Geschlechtergerechtigkeit einzahlen.